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Birgit Löffler
Reiz der Flüchtgkeit: Eine im Wortsinn äußerst lebendige Form der Kunst im öffentlichen Raum fand sich am 22. März in Rosenheims Innenstadt ein:
Fünf dunkel gekleidete Performer lehnten, saßen oder lagen wie absurde Statuen mitten im samstäglichen Einkaufsrummel, bewegten sich auf und um den Max-Josefs-Platz und
wechselten immer wieder die Position. Neon-orangefarbene Kissen dienten dabei
als Kontaktpunkt für den Kopf zur Außenwelt, und ein umgehängter kleiner Lautsprecher verstärkte gelegentliche Äußerungen der „Statuen“. Von manchen Passanten übersehen oder ignoriert, von anderen amüsiert, irritiert, überrascht oder neugierig beobachtet, verschwanden die Performer nach zwei
Stunden wieder in
der Städtischen Galerie.
Dort findet derzeit eine retrospektive Ausstellung des Performance-Duos Angela
Dauber und Samuel Rachl statt. Schon seit 1987 erarbeiten die Performerin
Dauber und der bildende Künstler Rachl gemeinsam ihre Kunstprojekte, während sie parallel dazu gleichzeitig ihre eigenen künstlerischen Wege gehen. Unabhängig voneinander entwickelten sie zuvor ihr Interesse für neue Kunstformen an der Grenze zu den Nachbardisziplinen und gehörten zu den ersten Performancekünstlern, welche die Stadt auch außerhalb geschützter Kunsträume bespielten.
Noch während der Außenraum als Aufstellungsmöglichkeit oder Skulpturenpark gerade mal für Skulpturen gesellschaftsfähig wurde, eroberten Dauber und Rachl ihn performend im Kollektiv mit
Wissenschaftlern, Literaten und Kollegen aus den unterschiedlichsten
Kunstsparten. Damit gehörten sie zu den absoluten Vorreitern einer Tendenz, die erst in den letzten zehn
Jahren breitere Aufmerksamkeit erfuhr. Im Gegensatz zu zahlreichen Aktionen
oder Einzelperformances geht es Dauber und Rachl immer um die Abkehr von Objekt
und Einzeldeutung zugunsten der kollektiven Handlung und Autorschaft. Dabei
wird unter dem Dach einer übergreifenden Idee jedem einzelnen Akteur sozusagen als Spezialisten auf seinem
Gebiet die Autonomie seines Handelns zugestanden, so dass keiner von ihnen eine
auferlegte Rolle „spielt“, sondern authentisch und professionell agiert. Das bewusst Flüchtige der Aktion, das auf Anhieb oft rational nicht Fassbare, vor allem aber
auch der unkommerzielle Charakter erscheinen im ökonomischen Denken fragwürdig und vertreten eine ähnlich unkonventionelle Position wie die Pioniere der Kunstaktionen in den
1960er-Jahren.
Daubers und Rachls Aktionen und Installationsperformances greifen Geschichte,
Funktion und Architektur des bespielten Raumes auf und erschaffen für einen kurzen Zeitraum eine neue Wirklichkeit, in der auch der Betrachter eine
aktive Rolle einnimmt. Dazu gehörten bei der Rosenheimer Performance Passanten, die von den Akteuren einbezogen
wurden und die
Zeit ihres Stadtbesuchs quasi anhielten, oder auch reine Beobachter wie ein älterer Herr, der die an ihre Kissen gelehnten PerformerInnen eine Zeitlang
aufmerksam begleitete, um dann mit festem Nicken seine Interpretation zu bestätigen:
„Einfach mal zur Besinnung kommen!“.
Die mobilen Skulpturen in ihrer spontanen Choreografie, so minimalistisch sie
auch sein mögen, erzeugen mit ihrer ungewohnten Anwesenheit im gewohnten Umfeld eine viel größere Aufmerksamkeit als die gewohnten Kunstobjekte am Wegesrand. Das prädestiniert sie für den Stadtraum mit seinen vielfältigen Ablenkungen durch Werbung, Verkehrsschilder, Cafés oder Warenständer als zukunftsweisende Kunstform.
Der Reiz der Flüchtigkeit aber hat eine Kehrseite. In Museen herrscht weiterhin die
Konzentration auf Bilder und Skulpturen, während eine Aktion nur dann dokumentiert wird, wenn an ihre Stelle planmäßig Video oder Foto treten. Bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel Relikte
und Dokumentationen von Beuys-Aktionen, erlischt ansonsten die Erinnerung an
eine Kunstform wie diese. Dem gebürtigen Traunsteiner Samuel Rachl verdanken wir jedoch einen ganzen Satz von
skulpturalen Objekten, die für die verschiedenen Performances als „Mobiliar“ dienten. Und der Städtischen Galerie Rosenheim verdanken wir die seltene Gelegenheit, dieses – „retrospektiv reloaded“ – durchwandern zu können, im Rahmen der Ausstellung sogar aktualisiert durch vier performative
Aktionen wie eben die „Öffentlichen Miniaturen“, deren leuchtendes Neon-Orange der Kissen dem Betrachter nicht nur in der
Galerie wieder begegnet.
Kritik
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22. März
öffentliche Miniaturen
von |und
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Fotos Franz Kimmel Karl Wallowsky Martin Weiand
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